Am
10.10.2015 fand in Berlin eine Massendemonstration gegen die Freihandelsabkommen
TTIP, CETA und TISA statt. Für die kämpfende Jugend war eine Delegation aus
Ingolstadt dabei. Das ist unser Bericht:
Ein Strom aus Leibern: Eindrücke aus dem Widerstand
Hunderttausende
Menschen bewegen sich über den Washingtonplatz vorm Hauptbahnhof Berlins. Eine
einzige Masse aus Menschen, ein Strom von Leibern. Von der Bühne tönen Reden
und Musik von allen Ecken aus der Demo. Rote Fahnen wehen in dichten Trauben
irgendwo am anderen Ende des Platzes, hier und da sieht man grüne Banner von
Umweltschutzaktivisten. Ein jugendlicher Hippie mit Rastalocken läuft barfuß
neben mir, reicht einen Joint herum und spricht über seine Beweggründe heute
hier in Berlin zu sein. Vor ihm marschiert ein alter Gewerkschafter mit
DGB-Mütze und schreit genauso enthusiastisch „Stopp TTIP“ wie seine Nebenfrau,
eine kaum 20jährige Kommunistin mit Hammer und Sichel auf der Roten Fahne der
sehr coolen Organisation Jugend Widerstand.
Hunderttausende sagen nein zu TTIP! |
Eindrücke von
der Demonstration gegen TTIP in Berlin am vergangenen Samstag, die sicher die
größte Demo war, an der ich bisher teilgenommen habe. Aus der gesamten BRD und
annektierter DDR waren Leute gekommen: Alte und Junge, Arbeiter, Bauern, Ärzte,
Gewerkschafter, Kommunisten, Sozialisten, Anarchisten. Manche hatten selbstgebastelte
Schilder dabei, andere zeigten die Embleme ihrer Organisation und alle setzen
sie ein machtvolles Zeichen: Wir wollen kein TTIP, wir wollen uns unsere
demokratischen Rechte nicht nehmen lassen.
Wie viele andere
auch nutzten wir dabei den Service des DGB (dem explizit dafür zu danken ist!)
und fuhren in kostenlosen Bussen in aller Herrgottsfrüh nach Berlin um unserem
Anliegen Ausdruck zu verleihen. Schon im Bus überraschte mich die Vielfalt der
TTIP-Gegner: Einfache Arbeiter, Großbauern, Ingenieure und sogar Familien mit
Kindern, sie alle taten sich die Gewalttour an, waren 24 Stunden auf den
Beinen, um Widerstand gegen das „Freihandelsabkommen“ zu zeigen. Und keiner
bereute es, waren wir doch schon beim Aussteigen von der schieren Masse an
Menschen überwältigt und begeistert. Dass so viele Leute unterwegs waren, dass
zeitweise sogar der Hauptbahnhof gesperrt war und die Polizei sich schlicht und
ergreifend vom Acker machte (ich sah kaum 20 verängstigte Polizisten auf der
Demo) spricht für sich. Ein klares Zeichen des Volks gegen TTIP.
Der Protest gegen TTIP ist
internationalistisch
Dass dabei der
Protest internationalistisch und nicht dumpf anti-amerikanisch war, ist bei
dieser Situation umso erfreulicher. So sprachen etwa Gewerkschaftsvertreter aus
Kanada, Kamerun und den USA auf der Hauptbühne und auf der Schlusskundgebung an
der Siegessäule und machten klar, dass Millionen us-amerikanischer und
kanadischer Arbeiter auf Seiten der Demonstranten stehen. „TTIP nimmt uns
genauso wie euch die demokratischen Rechte!“ meinte ein us-amerikanischer
Kollege, dessen Rede die beste an diesem Tag gewesen sein dürfte. Unter dem
Jubel der Menge (und teilweise ohne Übersetzung) forderte er den
internationalen Widerstand gegen die Monopolkonzerne und den Kapitalismus und
berichtete von den Massendemonstrationen auf dem amerikanischen Kontinent. Ein schönes
Zeichen, zeigt es doch, dass wir TTIP durchaus dagegen nutzen können, unseren
Widerstand international aufzustellen und uns mit anderen Widerstandsbewegungen
auf dem Globus besser zu verbinden.
True Story |
Die Reden der
deutschen Organisationen fielen dem gegenüber ab. Eine Gesine Schwan (mir ist
unklar, warum man die hat reden lassen) forderte unter Buh-Rufen, TTIP
ergebnisoffen weiter zu verhandeln, attac machte sich für mehr Welthandel
stark, Gewerkschaften spielten Bedenkenträger. Da ist es schon bezeichnend,
dass sich auch Gewerkschafter vielmehr für die Reden der Genossen diverser
radikaler Verbände begeisterten, die während der Demo über Megaphone zum
Generalstreik aufriefen, für den Fall, dass TTIP durchkommen sollte.
Neben den
(meisten) deutsch-sprachigen Reden war für mich dabei ein Wermutstropfen, dass
leider auch einige Spinner auf der Demo mit dabei waren. Nun lässt sich dies
bei 250.000 Menschen oder mehr wohl kaum vermeiden, dass bspw. Banner, die
Freigeld forderten oder Leute mit Paranoia vor Freimaurern (ich durfte
miterleben, wie ein Kollege von einem älteren Herrn mit dem Krückstock
geschlagen wurde, weil er jenen für einen Illuminaten hielt) aufkreuzen.
Positiv kann allerdings vermerkt werden, dass diese Wahnwichtel nicht nur von
der Bühne von einem Kabarettisten, dessen Name mir leider entfallen ist,
verarscht sondern auch aus der Demo recht schnell „verdrängt“ wurden. Die
Anzahl der vernünftigen Menschen, der Refugees-Welcome Sticker und der roten
Fahnen überwog deutlich.
Was bleibt
Natürlich, auch
wenn wir zufrieden, ja enthusiastisch die Heimreise antraten. Allen war klar:
Ändern wird auch dieser Protest erst einmal nichts. Vor 30 Jahren waren mehr
Menschen auf den Beinen, als es darum ging, die Pershing-2 Raketen zu
verhindern. Und scheiterten dennoch. Auch jetzt steht zu befürchten, dass die
Regierung ein, zwei Scheinzugeständnisse machen wird, um den Widerstandswillen
zu brechen und TTIP so dennoch durch zu bekommen. Daher wird es die Aufgaben
von Kommunisten und Sozialisten nun sein, den Schwung der Bewegung auszunutzen,
über TTIP aufzuklären und den Widerstand lokal weiter zu tragen.
Presseclowns? Die Mitdemonstranten waren tw. sehr kreativ |
Denn die
Propaganda-Maschine läuft schon: Gabriel ließ eine ganzseitige Anzeige in
diversen Tageszeitungen drucken, um mit Lügen die Wählerschaft von TTIP zu
überzeugen. Und die Journaille hetzt wie gewohnt, nennt den Protest hysterisch
oder gar nationalistisch. Die Redakteure, in ihren mittelmäßigen, neoliberalen
Denkschemata verfangen oder einfach ihren Arbeitgebern verpflichtet, ignorieren
den Protest oder schreiben ihn klein (die ARD berichtete erst nur von 10.000
Demonstranten, korrigierte irgendwann diese Zahl). In der bürgerlichen Presse
finden sich so in jedem Bericht über TTIP lange und ausführliche Stellungnahmen
der Befürworter des Abkommens, während der Demonstration wenig Raum gegeben
wird.
Es wird also
nötig, gegen den Widerstand der Medien und der Politik den Widerstand von unten
zu organisieren!
Gehen wir es an!
[Basalt]
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