Freitag, 15. Januar 2016

Rigaerstraße: Eine Razzia als Teil der Faschisierung des Staates


Szene vor der Rigaerstraße 94: Polizisten stürmen ohne Durchsuchungsbefehl das Haus

Am 14. Januar 2016 stürmten mehr als 500 Polizisten ohne Durchsuchungsbefehl das Wohnhaus in der Berliner Rigaer Straße 94. Vorangegangen war eine Auseinandersetzung zwischen einzelnen Personen und der Polizei. Nachdem erstere sich in das Gebäude an der Rigaer Straße flüchteten, rückten in Windeseile 500 Polizisten an und stürmten das Haus ohne jede rechtliche Grundlage. Begleitet wurde diese Aktion von Hubschraubern und dem SEK.
Der Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU) sprach im Zusammenhang mit diesen Vorgängen unter lautem Beifall der SPD von einer "klaren Antwort des Rechtsstaates" und davon, dass er "keine Rückzugsräume für Gewalttäter" dulde. Durch Rechtsbruch, illegale Durchsuchungen soll also der Rechtsstaat gesichert werden? Und dadurch, dass man nun ein Gefahrengebiet um die Rigaer-Straße, ein intakter Kiez mit sozialen Einrichtungen, Kitas, Seniorenheimen, etc., herum ausgerufen hat. Das heißt: Jederzeit können jetzt Hausdurchsuchungen stattfinden, Passanten kontrolliert oder eingesperrt werden. Der Rechtsstaat, den die Berliner Polizei gegen böse Linke zu verteidigen vorgibt, ist somit für die Menschen, die dort wohnen, aufgehoben.
Dabei ist das was in der Rigaer-Straße in Berlin geschieht nur eine Momentaufnahme einer Tendenz, die den ganzen bundesdeutschen Staat, ja ganz Europa erfasst hat: Die Tendenz hin zur Auflösung von Demokratie, Rechtsstaat und Bürgerrechten. Sei es die Vorratsdatenspeicherung, also der Totalüberwachung, der wir seit Anfang diesen Jahres ausgeliefert sind, sei es die Tatsache, dass die Bundeswehr längst den Einsatz gegen die eigene Bevölkerung übt, oder sei es, dass die CSU nun ganz offen fordert, Geflüchtete, die angezeigt worden sind, sollen ohne Prozess, auf Verdacht abgeschoben werden. Grundrechte werden immer mehr über Bord geworfen, die grundlegensten Bürgerrechte aufgehoben: Es ist nämlich nicht in Ordnung, wenn der Staat meine Daten ausschnüffelt. Und es ist ungesetzlich, Menschen ohne konkreten Verdacht zu kontrollieren, ihre Wohnungen zu durchsuchen, oder sie ohne richterlichen Beschluss festzuhalten.
Dennoch geschieht es. Obwohl Gerichte beispielsweise die Praxis des Gefahrengebiets für unzulässig erklärt haben, wird ein solches eingerichtet. Polizeiapparat und Politik scheren sich nicht um Gesetze oder Gerichtsurteile, sondern machen eifrig weiter beim Demokratieabbau. Linke werden kriminalisiert, verfolgt, eingesperrt. In Sachsen werden beispielsweise immer selbst harmlose Leute, wie der Jugendpfarrer König, unter Lügen vor den Kadi gezerrt, andere Aktivisten eingesperrt. In Berlin stürmen nun eben Polizisten einen linken Kiez.
Und während 500 Einsatzkräfte dabei sind, Linke zu verprügeln und der Verfassungsschutz vermutlich Ordner mit meiner Emailkorrespondenz anlegt, laufen 372 zu Gefängnisstrafen verurteilte Nazis frei herum, weil es die Polizei nicht für nötig erachtet sie zu verfolgen. Während tagtäglich Flüchtlingsheime brennen und der rechte Mob fürs Pogrom wirbt, macht der Staat so Treibjagd auf alle Linken und auf Minderheiten, richtet Lager für Abschiebeflüchtlinge ein, betreibt (auch rechtswidrig) racial profiling und entledigt sich der Demokratie und des Rechtsstaats.
Kurz und gut: Man kann diese Tendenz als die beginnende Faschisierung der Bundesrepublik, ja, denkt man an die Ermächtigungsgesetze in Frankreich und Gleichschaltungsbestrebungen in Polen, Ungarn, und Spanien, ganz Europas begreifen. An die Stelle der bürgerlichen Demokratie tritt ein autoritärer Staat der mit nackter Gewalt, unterstützt von einem rechten Mob auf der Straße, die Interessen des Kapitals durchsetzt. Wohin dieser Prozess führt, kann man an der jetzigen Situation in der Ukraine, wo die Regierung die Kommunistische Partei verboten und krasse neoliberale Reformen im wahrsten Sinne durchgeboxt hat, sehen.
Daher bedeutet Antifaschismus jetzt nicht einfach nur irgendwie den Orks von PEGIDA und der AFD entgegentreten, sondern gezielt den Staat und den Kapitalismus anzugreifen. Für echte Demokratie, die es nur im Sozialismus geben kann, werben. 
"Wer das Privateigentum an Produktionsmitteln nicht infrage stellen will, kann nicht gegen den Faschismus sein. Er wird ihn brauchen." (frei nach Bert Brecht)
 
http://westfalium.de/wp-content/uploads/2013/04/20.02._Schwesig-Schlegelkeller.jpg
So weit kann Polizeiwillkür gehen. Zeichnung von Karl Schwesig, der seine Foltererlebnisse durch die NS-Polizei in dem Bildzyklus "Schlegelkeller" verarbeitete

 (Genosse Basalt)



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