Sonntag, 10. April 2016

Die Schanz vertreibt Nazis! Bericht von den Gegenaktionen gegen den III. Weg aus Sicht eines kleinen Aktivisten




Am Samstag den 9. April marschierte die Partei „Der III.Weg“ durch Ingolstadt. Dies ist ein doppeltes Ärgernis, einerseits weil die pure Existenz dieser Partei eine Beleidigung für jeden normal-denkenden Menschen darstellt, andererseits weil es damit „Nationale Sozialisten“ (so die Eigenbezeichnung dieser Typies) wagen, am Jahrestag der Ermordung von Georg Elser[1] ihre Parolen herumzuschreien. In ganz Bayern veranstaltete das Weglein Umzüge im Rahmen eines „antikapitalistischen“[2] Aktionstages. Konkret sah dies so aus, dass Grüppchen aus drei vier Leuten, angeführt von Rechtsterroristen wie Martin Wiese, ein paar ausländerfeindliche Parolen krakelten und dann wieder Leine zogen. In Ingolstadt sollte dann die Schlusskundgebung dieses Aktionstages stattfinden, zu der Ewiggestrige aus ganz Bayern angereist kamen.
Antifaschistische Kreise aus Ingolstadt hatten leider erst spät von diesem Plan der Faschisten erfahren, und deswegen nur äußerst kurz Zeit Gegenprotest zu organisieren. Eva Bulling-Schröter (MdB DIE LINKE) und Joachim Siebler von den Grünen ist dabei explizit zu danken, dass sie zwei Gegenkundgebungen nahe der Nazi-Route kurzfristig anmeldeten. Dennoch: Es blieb, als ich nachmittags zum Kundgebungsort am nördlichen Brückenkopf ging, ein flaues Gefühl: Hatte die kurze Zeit gereicht, um genug Ingolstädterinnen und Ingolstädter zu informieren? Würden ausreichend Menschen anwesend sein, um lautstark Widerstand zu leisten.
Ich hatte meine Zweifel.
Und wurde von unserer Schanz eines besseren belehrt.
KJI und KPT vereint!
Schon als ich am Brückenkopf ankam, war die Geräuschkulisse einfach unglaublich. Hunderte Ingolstädterinnen und Ingolstädter hatten sich dort postiert um den Naziweglein auf seinen Platz zu verweisen. Neben Mitgliedern der Partei DIE LINKE und Bündnis90/Die Grünen sah ich Gewerkschafter, Familien mit ihren Kindern, alte Menschen, Schülerinnen und Schüler, Leute, die sich einfach so dazugestellt hatten, und natürlich in beeindruckender Stärke: Meine Genossinnen und Genossen aus LaRa Ingolstadt, KPT Ingolstadt und natürlich der KJI, die mit dem Banner: „Potsdamer Abkommen[3] umsetzen – Faschistische Parteien und Organisationen verbieten!“ und Flugblattverteilungen klare Akzente setzte. Insbesondere unser Redner kam sehr gut an. Seine Feststellung, dass die faschistische Gefahr nicht nur von ein paar "Nazizombies", sondern auch und gerade aus der sog. Mitte der Gesellschaft droht, fand großen Anklang. Klar und deutlich (und unter viel Applaus) legte er dar, wie die etablierten, bürgerlichen Parteien, wie gerade CSU und AfD den autoritären Staatsumbau in Richtung Faschismus vorantreiben.


 
Und dann, mit großer Verspätung (so viel zur deutschen Pünktlichkeit) kamen endlich die Nazis.
Ein tristes kleines Grüppchen grießgrämiger Leutchen, von denen wohl viele mit dem Ausdruck „gescheiterte Existenz“ gut charakterisiert wären. Die Präsenz der Gegendemonstranten beeindruckte sie sichtlich und man sah schon zu Beginn den ein oder anderen braunen Mundwinkel nach unten fallen, angesichts des massiven Hasses der Schanzer, der den Rechten da entgegenschlug. Vielleicht schwante da schon dem ein oder anderen Nazis, dass diese Demo ein Spießroutenlauf werden würde.
Denn in der Tat, kaum hatte es der Dritte Weg (fast alle kamen von außerhalb) gewagt zu rufen „Unser Ingolstadt bleibt deutsch“ kannte die Schanz kein Halten mehr. Jung und Alt, Autonomer und Sozialdemokrat, Kommunist und Grüner rannten spontan, ohne Absprache und Koordinierung, von einer Welle der antifaschistischen Wut getragen dem Häuflein hinterher. Es gelang uns, sie am Schlifflmarkt zu stellen: Aberhunderte Schanzerinnen und Schanzer versammelten sich an und auf der Route des  (dazu gleich mehr) von gepanzerten Polizisten geschützten Zug des Wegleins. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger kamen hinzu, Passanten, ja selbst Ladenbesitzer aus der Innenstadt schlossen sich uns an und erstickten die Nazis in einem nahezu unerträglichen Pfeifkonzert. Von allen Seiten erschallte es aus der Innenstadt der Schanz: „Nazis raus“ und irgendwann, als bereits die Mundwinkel bei den bereits jetzt nervlich zerstörten Faschisten zitterten, auch durchaus härtere Parolen, die von allen mitgetragen wurden. „Stalingrad war wunderbar, Naziopa blieb gleich da“ war dabei noch eher harmlos.

Irgendwann, wie sollte es anders sein, wurde die Blockade von der Polizei aufgehoben  und die Blockierer (Hoch solln sie leben!) weggetragen. Team Adolf konnte also wieder marschieren. Ein paar Meter zumindest.
Denn die Ortskenntnis der Schanzerinnen und Schanzer verhagelte es ihnen wieder. In alle Richtungen schossen die Ingolstädter los, quer durch die Innenstadt, der Hopper, aus dessen Handy Haftbefehl dröhnte, neben gesetzten Gewerkschaftern, der Antifa neben dem normalen Ingolstädter Durchschnittsbürger, und ich mitten drin, in einem Strom aus Menschen. Bald gab es überall in der Stadt Blockaden, spontane Kundgebungen und Versammlungen. Die Nazis marschieren über die Haderstraße? Plötzlich tauchen Barrikaden aus Bauschutt auf! Die Nazis wollen auf die Proviantstraße? Geht nicht, Kommunisten und Anarchisten blockieren sie.  Die Nazis machen kehrt, um über die Schlosslände zum Paradeplatz zu kommen? Geht höchstens drei Meter, denn dort stehen plötzlich wieder hunderte Ingolstädterinnen und Ingolstädter, unterstützt von Fußballfans, die gerade vom Spiel kamen, um unser Gewerkschaftshaus vor den Faschisten, die davor eine Kundgebung abhalten wollten, zu schützten.
Die Südtribüne sagt, was Sache ist! Danke!
Bockig blieben die Rechten also am Eingang zum Paradeplatz, auf den wir sie nicht ließen, stehen, um ihr Gesabbel vorzutragen. Wieder und wieder gingen aber die  Versuche der Rechten, sich irgendwie Gehör zu verschaffen im gerechten Zorn der Stadt unter. Längst hatte sich zu diesem Zeitpunkt die anfangs penibel eingehaltene Marschordnung der Nazis aufgelöst. Desillusioniert hingen ihre Schilder und Banner am Boden, auch die Fahnen waren da, wo sie hingehören: im Schmutz der Straße! Aus dem geplanten, heroischen Aufmarsch war eine pathetische Lächerlichkeit geworden, der fast schon amüsierte Schanzer aus hunderten Kehlen zuriefen: „Keiner hat euch lieb!“. Schließlich trollte sich das braune Häuflein, das an diesem Tag die Schanz nicht erobern konnte.
Ich persönlich muss sagen, dass ich stolz auf mein Ingolstadt bin. Die ganze Stadt hat gezeigt, dass in ihr mehr steckt, als das provinzielle, reaktionäre Nest, das es, dank der offiziellen Politik von CSU und FW oft genug ist. Insbesondere bin ich aber auch stolz, so großartige Genossinnen und Genossen zu haben, denn ohne LaRa und KJI und ohne unsere Freundinnen und Freunde von der Ingolstädter Südtribüne und Gio, wäre dieser Protest nicht so massiv, die Niederlage der Nazis nicht so grundlegend gewesen.

Die Faschos geschützt von der Polizei, kommen und kommen einfach nicht weiter. Der Weg auf den Paradeplatz zum Gewerkschafthaus bleibt ihnen versperrt. Beachtet, btw. in welche Richtung die Polizisten schauen.
Dennoch sollten wir auch nicht vergessen, dass auch die Nazis an diesem Tag Schutz genossen: Immer wieder war es die Polizei, die ihnen den Weg freiräumte, ihr Marschieren ermöglichte. Grundlos wurden dabei 6 Menschen verhaftet, andere gekesselt oder verprügelt, bloß weil sie es wagten, Transparente gegen die Faschisten zu halten. Unsere Solidarität jedenfalls gilt den Verhafteten.  Auch gestattete es das notorische USK Faschisten zumindest einmal aus der Demo in die Reihen der Gegendemonstranten auszubrechen, was aber, aus Sicht der Faschisten, letztlich keine gute Idee war. Unter anderem konnten den Angreifern ihre Protestschilder entrissen werden.
Doch schlimmer noch fand ich die erschreckende Abwesenheit der „Väter der Stadt“. Abgesehen von Eva Bulling-Schröter als MdB und einigen Stadträten von Grünen und ÖDP sah ich keinen Stadtrat, geschweige denn den lieben Herrn Bürgermeister. In anderen Städten ist es üblich, dass die Stadt Neofaschisten mit antifaschistischen Grußbotschaften begrüßt oder Bürgermeister und Stadträte wenigstens geschlossen zur Gegenkundgebung gehen. Doch in Ingolstadt scheint es die Mehrheit des Stadtrats, der ja angeblich für uns da sein soll, nicht zu jucken, wenn Schanzerinnen und Schanzer die Stadt gegen Faschos verteidigen. Und so wollen wir mal die zahlreichen Abgeordneten von SPD, CSU, BGI, FDP und FW mal fragen, wo sie denn an diesem Sonntag waren? Während eure Wählerinnen und Wähler ein deutliches Zeichen setzen, kommt ihr eurer Pflicht, nämlich die Stadt zu schützen, nicht nach! Man darf sich schon fragen, warum ein OB es zwar zur Simulation des Europaparlaments im Katharinen-Gymnasium, nicht aber zu einer riesigen Kundgebung gegen Nazis schafft.
Ich finde das erbärmlich! Genauso, wie die miesen Artikel in der Lokalpresse, in der wir Gegendemonstranten als gewaltbereit verunglimpft werden. Statt klar Position gegen den Faschismus zu beziehen, kommen in DK und IngolstadtToday Artikel in der Art „Böse Linke behindern harmlose Demo“. Auch hier muss man sich fragen, in welcher Stadt man eigentlich lebt.
Dennoch: Die normalen Ingolstädter Bürgerinnen und Bürger haben an diesem 9.April Georg Elser alle Ehre gemacht! Und das immerhin stimmt mich zuversichtlich! Ihnen allen gilt mein Dank!



Antifaschismus endet nicht bei Anti-Nazi-Demos. Wir rufen euch alle auf: Kommt am 15.4. zu unserem Vortrag über das Bayerische Integrationsgesetz (Vronis Ratschhaus, 18:30) und am 16.04 um 14:00 Uhr zu unserer Demo gegen Rassismus und Faschismus (Startplatz: Vorplatz vor Franziskanerkirche).
Fotos: (c) privat

[1] Georg Elser war ein überzeugter Antifaschist und marxistischer Arbeiter, der 1928 Mitglied des Rotfrontkämpferbundes geworden war und dann später der Antifaschistischen Aktion beitrat. 1939 verübte er im Bürgerbräukeller, dem Münchener Stammlokal der Nazis, einen Anschlag auf Hitler, dem dieser nur knapp entkam. Elser wurde in Folge gefasst, 6 Jahre lange gefoltert und gequält und dann kurz vor Kriegsende erschossen. In meinen Augen ist Elser einer der größten Helden des deutschen, linken Widerstands gegen den Faschismus.
[2] Antikapitalismus und Sozialismus sind international! Verwenden Faschisten diese Wörter, so heißt das nur, in den Worten des Kängurus: „Ich als Deutscher habe das Recht, von Deutschen ausgebeutet zu werden.“ Oder anders gesagt: „Nationaler Sozialismus? Am Arsch!“
[3] Kurz gesagt: Ein Abkommen zwischen den Alliierten nach der Niederwerfung Hitlerdeutschlands, das u.a. das Verbot aller faschistischen Organisationen und ihrer Betätigung vorsieht.

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